Dr. Bennie Priddy: ... Obwohl Beckmanns Zeichnungen immer gegenständlich waren, setzte sie sich jahrelang mit der abstrakten Malerei auseinander. Sie untersuchte in ihren Bildern Farbe, Malweise und geometrische Formen –
zuletzt
runde Formen. Es war vielleicht prädestiniert, daß diese Formen irgendwann zu dem menschlichen Körper führen würden. Die Bilder sind immer noch abstrakt – und zwar mehr als nur in der Bedeutung, dass die gesamte Malerei eine Abstraktion
ist.
Auch wenn Menschen hier erkennbar sind, sind sie vor allem Menschen in gemalten Bildern, in denen Farbe, Form und Pinselstrich die Vermittler sind. Beckmann variiert den Einsatz dieser malerischen Mittel in Bildern mit unterschiedlichen
Themen.
Die Farben und die Formen im Bild „Sommermädchen“ sind anders als im „Verräter“. Das heißt, dass der Inhalt und das Medium bewusst oder unbewusst abgestimmt sind. Vermittelt ist eine Atmosphäre aus Farbe. Manche Bilder haben sehr
konkrete
Ausgangspunkte in der sichtbaren Welt und manche entstehen frei in den Gedanken der Künstlerin. Eine Vorzeichnung im engeren Sinn gibt es nicht, aber Beckmann ist von der Bilderflut in den Medien um uns herum fasziniert, und verwendet
diese,
wie sie sagt, schon hervorragend gestaltete Bilder, manchmal als Ausgangspunkt. Sie gestaltet diese Bilder aber malerisch und inhaltlich um. Das Bild „Romy“ zeigt Romy Schneider. Die Vorlage für das Gemälde war ein Foto vom
Fernsehschirm,
als ein Film von oder über Romy Schneider gezeigt wurde. Wie Beckmann richtig bemerkt, hat der Kameramann, der diese ursprüngliche Aufnahme gemacht hat, hoch talentiert gearbeitet. Beckmann verändert aber diese Darstellung in der
Malerei.
Wir erkennen Romy Schneider, aber nicht Romy Schneider in einer Rolle, sondern Romy Schneider, die Person, den Menschen, dessen Leben menschlicher war als ihr Rollen. Ähnliches gilt für das hervorragende Bild „Stromberg Christus“.
Vielleicht
hatte Frau Beckmann das Stromberger Kruzifix in der Kreuzkirche noch aus der Kindheit in Erinnerung. Das Bild wurde zweifelsohne für diese Ausstellung in der Nähe von Stromberg gemalt, aber die Vorlage war nicht der mit Silberblech
beschlagene
Korpus Christi in der Kirche, sondern ein Foto vom Kopf Christi, als das Objekt restauriert wurde, und als wir das in Holz geschnitzte Antlitz Jesu sehen konnten. Diese romanische Christusdarstellung aus dem 12. Jahrhundert ist ein
äußerst
beeindruckendes Kunstwerk. Sie verbindet die Majestät Christi mit der Erniedrigung Jesus am Kreuz. Beckmann übertrug dieses Schnitzwerk in die Malerei. Das ruhige Gesicht des Stromberger Kreuzes ist zeichnerisch geblieben aber der
Schmerz
der Kreuzigung ist durch Farbe und Pinselstrich erhöht. Jesus ist wirklich ein Mensch geworden, der das Schicksalhafte des Menschlichen erfährt. Trotzdem, auch wenn die Darstellung nicht mehr majestätisch, gar göttlich, ist, strahlt
Jesus
Würde aus. Die Würde der Menschheit in der Kunst zu vermitteln, wie hier bei Jesus, Romy Schneider oder den zwei Mädchen, ist schwieriger als die unangenehmeren Züge des Menschlichen zu zeigen. Es erfordert ein meisterhaftes
künstlerisches
Können, das in diesen Bildern erreicht wird.
Quelle: Auszug aus einer Rede von Dr. Benny Priddy, Direktor Museum Abtei Liesborn a.D. anläßlich einer Soloausstellung von Sabine Beckmann im Jahr 2010